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Fachtag am 04.08.2017 „Autismus verstehen“

Ein Rückblick von Renate Wahrmund

Hiermit möchte ich zusammenfassend einen Eindruck davon vermitteln, den der von uns ausgerichtete Fachtag zum Thema „Autismus verstehen“ und „Glück und Lebenszufriedenheit für Menschen mit Autismus“ hinterlassen hat. Die Veranstaltung wurde vom ATZ Bersenbrück (Träger: Heilpädagogische Hilfe Bersenbrück) organisiert. Wir erlebten diesen Fachtag als ein sehr gelungenes Gemeinschaftsprojekt des ATZ-Teams (Vorbereitung und organisatorische Durchführung), wobei auch im Vorfeld die Klienten selbst befragt worden waren- mit auch für uns sehr interessanten Antworten.

Die Aussagen der Vortragenden und die durchweg positive Resonanz der Zuhörer haben uns auch wegen ihrer Nähe zur eigenen Haltung stark beeindruckt. „Ich bin zufrieden, wenn ich etwas geschafft habe“- dieses Zitat eines 9jährigen autistischen Jungen klingt so banal und stellt doch eine wesentliche Kernaussage dar. Wie von Professor Dr. Georg Theunissen eindrucksvoll vermittelt wurde, hat inzwischen ein Paradigmenwechsel im Umgang mit autistischen Menschen stattgefunden. Stichwörter wie „nicht über uns, sondern mit uns“ (Empowermentbewegung besonders in Amerika) und Hinwendung zur Stärkenperspektive unterstreichen diese Haltung, die bewirkt, dass wir uns um Verstehen und eine Interaktion „auf Augenhöhe“ bemühen.

Herr Theunissen betonte besonders die Notwendigkeit einer positiven statt defizitär orientierten Bewertung bzw. Diagnostik, aufgrund dessen individuell und gemeinsam Lösungsstrategien entwickeln werden. Dabei seien Anpassungsleistungen auf beiden Seiten notwendig. Diese begründen sich auf einem prozesshaften (und langwierigen) Herausfinden und Ergründen, was jeweils benötigt wird, und sollte möglichst in irgendeiner Form von den Klienten selbst in Erfahrung gebracht werden. Herrn Theunissen erlebten wir hier als kompetenten Fachmann für das Verständnis und für die Stärken autistischer Menschen. Er betonte, dass autistische Menschen diese Stärken oft nicht zeigen können, weil es für sie zahlreiche, nicht immer sofort nachvollziehbare Stressauslöser gebe, die vor allem begründet sind in Problemen der Wahrnehmungsverarbeitung.

Ganz hervorragend schloss hieran der zweite Vortrag von Dr. Christine Preißmann zum Thema „Glück und Lebensqualität für Menschen mit Autismus“ an. Sie betonte den Wert aktiver Mitbestimmung des eigenen Lebens und unterstrich ihre Aussagen mit anschaulichen und z.T. autobiografischen Beispielen. Die Diagnose „Autismus“ stelle durchaus für manchen Betroffenen eine Möglichkeit dar, eine Antwort auf ursächliche Begründung des eigenen Verhaltens zu bekommen. Das Ziel der Selbstakzeptanz sei eine wesentliche Grundlage der Förderung autistischer Menschen. Hierzu ein Zitat eines betroffenen Klienten : „Ich bin zufrieden, wenn ich über alles, was mich betrifft, Bescheid weiß.“ Auch sie betonte, dass es darum gehe, die individuellen Möglichkeiten autistischer Menschen herauszufinden und so „ zu gestalten, dass jeder einzelne Lebensentwurf ein Erfolg wird“.

Aus den Vorträgen kann folgendes Resümee gezogen werden: die Wünsche und Ziele von autistischen Menschen sind von unseren (den „neurotypischen“) nicht unterschiedlich, aber der Weg, die Anstrengung, die Wahrnehmungsprobleme und die Unterstützungsintensität sind höher. Gespräche mit den Gästen machten deutlich, dass auch sie von der Art und dem Inhalt der Vorträge sehr beeindruckt waren: „Wenn beim gemeinsamen Essen ein autistischer Mitbewohner anfängt, laut zu brummen, möchte ich dies als Ausdruck verstehen und nicht gleich zu einer Lösung kommen, wie man das abstellen kann“. Anwesende Schulbegleiter wiesen auf die Problematik hin, dass im Alltag oft eine sehr hohe Anpassungsleistung von autistischen Schülern erwartet werde. Am Ende dieses sehr bewegenden Fachtages blieb vor allem das Gefühl, als ATZ-Team gemeinsam mit den Referenten und Zuhörern einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis von autistischen Menschen gestaltet zu haben. Die Anerkennung eines Klienten wirkt dazu noch als Bestärkung unserer gemeinsamen Bemühungen: „ Es macht mich zufrieden, dass ich hier ins Therapiezentrum kommen kann“.

Für das Team des ATZ Bersenbrück: Renate Wahrmund Ergänzend möchten wir Ihnen die beiden entsprechenden Fachbücher der Referenten besonders ans Herz legen:

  • Theunissen, G. (Hrsg.): Autismus verstehen, 2016, Kohlhammer
  • Preißmann, Christine: Glück und Lebenszufriedenheit von Menschen mit Autismus, 2015, Kohlhammer
  • Die komplexe Arbeitsweise der Autismus Therapie Zentren im Bundesverband Autismus Deutschland wird in folgendem aktuellen Fachbuch beschrieben, unter anderem sind darin drei Artikel unseres ATZ enthalten: Rickert-Bolg, Rittmann (Hrsg.): Autismus-Therapie in der Praxis, 2017, Kohlhammer
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