50 Jahre Teilhabe und Entwicklung
Die Bersenbrücker Gemeinnützigen Werkstätten feiern Jubiläum
Bersenbrück, 21. Mai 2025.
Seit fünf Jahrzehnten bieten die Bersenbrücker Gemeinnützigen Werkstätten Menschen mit Beeinträchtigung eine sinnstiftende Tätigkeit, Struktur im Alltag und die Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe. Was heute als selbstverständlich erscheint, war historisch keineswegs gegeben. Am 28. Mai 2025 wird das 50-jährige Bestehen mit einem bunten, internen Fest gefeiert – ein Anlass zum Rückblick, aber auch zum Blick nach vorn.
Von Ausgrenzung zur Inklusion
Was heute selbstverständlich erscheint, war lange nicht denkbar: Noch vor wenig mehr als 80 Jahren galten Menschen mit Beeinträchtigung im nationalsozialistischen Deutschland als „lebensunwert“. Sie wurden entrechtet, verfolgt und ermordet. Die Geschichte bleibt Mahnung und Verpflichtung zugleich: für eine inklusive Gesellschaft, die Vielfalt wertschätzt und niemanden ausschließt.

Mit der Gründung der Bersenbrücker Gemeinnützigen Werkstätten im Jahr 1975 wurde ein Meilenstein gesetzt – hin zu mehr Teilhabe, Würde und gesellschaftlicher Anerkennung. Heute arbeiten etwa 330 Menschen mit Beeinträchtigung in der Werkstatt am Standort Bersenbrück. Weitere etwa 130 Personen sind an den Standorten in Fürstenau, Bramsche, Badbergen oder mit individueller Begleitung in Betrieben der Region tätig. Hinzu kommen aktuell 55 junge Menschen mit verschiedenen Beeinträchtigungen, die gemäß Sozialgesetzbuch im Rahmen des Eingangs- und Berufsbildungsbereichs an verschiedenen Standorten im nördlichen Landkreis Osnabrück in diversen Fachrichtungen ausgebildet und somit für Ihr Berufsleben adäquat vorbereitet werden.
Individuelle Förderung und wirtschaftlicher Anspruch

Die Werkstätten bieten ein breites Spektrum an Arbeitsmöglichkeiten - von Elektrokonfektionierung über Metall- und Holzbearbeitung bis hin zu Montage und Verpackung. Daneben gibt es Büro- und Dienstleistungsangebote, etwa im Catering, der Gartenpflege oder im Hauswirtschaftsbereich, sowie kreative Angebote. Die Arbeitsbereiche sind so organisiert, dass sie den unterschiedlichen Fähigkeiten der Beschäftigten gerecht werden – mit dem Ziel, sinnstiftende Arbeit, handwerkliche Qualifikation und persönliche Entwicklung zu verbinden. Dabei verstehen sich die Werkstätten als wirtschaftlich arbeitender Dienstleister mit sozialem Auftrag. Viele Kunden aus Industrie und Handwerk schätzen die zuverlässige Zusammenarbeit seit Jahren.
Kritik am System Werkstatt

Doch das Modell der Werkstätten steht immer wieder in der Kritik. Aktivisten und Organisationen beanstanden, dass Menschen mit Beeinträchtigung in Werkstätten nicht wie reguläre Arbeitnehmer behandelt würden. Tatsächlich erhalten sie keinen gesetzlichen Mindestlohn, sondern ein sogenanntes „Werkstattentgelt“, das sich aus einem Grundbetrag, einem leistungsbezogenen Anteil und einer steuerfreien Grundsicherung zusammensetzt. Sie gelten rechtlich nicht als Arbeitnehmer, sondern befinden sich in einem so genannten „arbeitnehmerähnlichen“ Rechtsverhältnis.
Diese Situation sorgt für Spannungen: Einerseits sind Werkstätten ein wichtiger Schutzraum, in dem Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf individuell gefördert werden. Andererseits drängt sich die Frage auf, ob das bestehende System noch zeitgemäß ist – insbesondere im Hinblick auf Selbstbestimmung, gesellschaftliche Teilhabe, finanzielle Unabhängigkeit und soziale Gerechtigkeit.
Verantwortung der Politik
Dass die Werkstätten selbst die bestehenden Rahmenbedingungen nicht ändern können, wird in der öffentlichen Debatte oft übersehen. „Die rechtlichen Grundlagen werden durch die Politik gesetzt – wir als Einrichtung müssen uns an geltendes Recht halten und können uns nur im vorgegebenen Rahmen bewegen, wenngleich derzeit auf der Bundesebene sinnvolle Weiterentwicklungen diskutiert werden“, betont Guido Uhl, Geschäftsführer der Heilpädagogischen Hilfe Bersenbrück (HpH), zu der die Werkstätten gehören. Die HpH engagiert sich daher in verschiedenen Fachgremien und Netzwerken dafür, dass der gesetzliche Status von Werkstattbeschäftigten reformiert wird – hin zu einer echten Arbeitnehmerstellung und einer besseren Bezahlung.

„Unser Ziel ist eine inklusive Arbeitswelt, in der jeder Mensch seinen Platz findet – ob innerhalb oder außerhalb der Werkstatt“, sagt Werkstattleiter Martin Heimbrock. So werden Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt gezielt unterstützt: Die Jobcoaches von „Talente“, dem Fachdienst der Werkstatt für die berufliche Integration, begleiten aktuell rund 55 Personen auf ihrem Weg auf den ersten Arbeitsmarkt. Sie vermitteln Praktika und beraten Arbeitgeber. Die Politik bietet hierfür bereits einige Instrumente wie das „Budget für Arbeit“ oder das „Budget für Ausbildung“.
Zukunft gestalten

Im Sinne einer inklusiven Gesellschaft, wie sie die UN-Behindertenrechtskonvention fordert, sehen sich die Bersenbrücker Gemeinnützigen Werkstätten als Wegbereiter für Teilhabe, persönliche Entwicklung und passgenaue Förderung: „Wir sind stolz auf alle, die neue Wege gehen – und genauso auf diejenigen, für die die Werkstatt der passende Arbeitsplatz ist“, betont Guido Uhl. Der Anspruch bleibt: Eine Gesellschaft, in der jeder Mensch seinen Beitrag leisten kann – und dabei die Anerkennung bekommt, die er verdient.
Text: Elisabeth Schomaker/HpH.